Von Prof. Ferd. Blumentritt
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Erdbeben sind in einem so vulkanreichen Lande, wie es der
Archipel der Philippinen ist, keineswegs selten, und Manila, die
Hauptstadt jener spanischen Kolonie, ist durch sie mehr als einmal
vernichtet worden, was freilich nicht hinderte, daß das reiche
Handelsimperium zu neuem Glanze wieder aufstand. Bereits am
10. November 1610 wurde die kaum 39 Jahre bestehende ummauerte Stadt
durch einen heftigen Erdstoß theilweise in Trümmer gelegt. Im Herbstmonate 1627 wurde Luzon durch ein gleiches Naturereigniß in der fruchtbarsten Weise verheert, in dem Caravallos-Gebirge sank ein Berg zusammen(1), und solche durch Erdbeben oder Vulkanausbrüche bewirkte Bergstürze stehen in der Geschichte der Philippinen nicht vereinzelt da. Am bekanntesten ist der theilweise Einsturz des Vulkans Iriga auf der Halbinsel Camarines (Süd-Luzon): am 4. Januar 1641(2) stürzte die gegen das Dorf Buhi gewendete Seite des Berges ein, die Trümmermassen stauten den gleichnamigen Bach, wodurch der noch heute existirende See von Buhi entstand. "Die Haupttrümmermassen erblickt man in einem wilden Chaos an den Ufern des Sees von Buhi und noch weiter hinaus zerstreut"(3). Auf Mindanao geschah Aehnliches 1675(4). In 1641 stürzten in Ilócos (Nordwestküste Luzons) sogar drei Berge ein(5); es geschah dies während der gleichzeitigen Eruption dreier Vulkane und eines heftigen Erdbebens, das den ganzen Archipel verwüstete. 1645 fand neuerdings ein Erdbeben statt, welches Manila in einen Trümmerhaufen verwandelte. 600 Personen, nach anderen gar 3000 verloren hierbei das Leben. 48 Stunden lang war die Atmosphäre der ganzen Insel Luzon mit Staub und Asche angefüllt(6). Zwar forderten die großen Erdbeben von 1658, 1675, 1699, 1796, 1824 und 1852 genug Opfer an Menschenleben, Hab und Gut, aber erst 1863 traf Manila wieder ein ungemein harter Schlag, indem am 3. Juni des genannten Jahres ein außerordentlich heftiges Erdbebeb in einer halben Minute 616 Steinbauten gänzlich zur Erde warf und 556 andere unbewohnbar machte. 400 Todte, 2000 Verwundete lagen unter den Trümmern. Es gab kein Haus, das unbeschädigt geblieben wäre. Acht Millionen Dollars gingen an Waaren und Eigenthum verloren. 1872 erschreckte ein neues Erdbeben die Bewohner Manilas, doch war die Gewalt desselben gering. Um so furchtbarer war die Katastrophe, von welcher Manila mit dem größten Theile Luzons in den letzten Julitagen des laufenden Jahres getroffen wurde. Ehe ich zur näheren Beschreibung dieses großartigen Naturereignisses übergehe, ist es zum Verständniß des Folgenden nöthig, darauf hinzuweisen, daß der Name Manila eigentlich nur der mit Bastionen und einer Zidatelle versehenen Festung an der Mündung des Pasigflusses zukommt. Das ist die wirkliche "Cuidad de Manila", welche im gewöhnlichen Verkehre und in der Umgangssprache meist "Manila intramuros" oder "Manila murada" genannt wird. In diesem Manila befinden sich die größten Kirchen, dann die so zahlreichen Klöster der Kolonialhauptstadt und die stattlichen Kasernen, ferner das Rathhaus, der Gouverneurs- und der erzbischöfliche Palast, überhaupt große meist öffentliche Steinbauten. Trotzdem die Bewohner dieser Manila murada größtentheils aus Spaniern und deren Abkömmlingen bestehen, so ist sie doch nicht der Centralpunkt des Handels und Verkehrs; dieser befindet sich vielmehr in den Vorstädten und Vororten Manilas, welche unter dem Namen Manila extramuros eine nicht officielle Gesammtbenennung besitzen. Die lebhaftesten und wichtigsten dieser Vororte sind Tondo und Binondo, in welchen auch die europäischen Konsuln residiren und die meisten ausländischen Handlungshäuser ihre Etablissements besitzen. Die Häuser der Indier - so nennen die Spanier die malaiischen Eingeborenen - und der Chinesen sind nur aus Holz, Rohr und Nipablättern verfertigt, und da diese Vorstädte zum größten Theile von Farbigen bewohnt sind, so unterscheiden sie sich schon durch das Aeußere von der feierlichen Grandeza der Steinbauten der Manila murada. Am 14. Juli dieses Jahres um 12 Uhr 53 Minuten Morgens trat das erste Erdbeben in Manila ein. Es waren zwei Stöße, der erste in der Richtung von Südwest nach Nordost, der zweite von Südost nach Nordwest. Das Erdbeben machte sich in einem großen Theile Luzons fühlbar. Wenngleich die Intensität des Erdbebens nicht überall dieselbe war und die Zahl der Erdstöße an verschiedenen Punkten auch verschieden war (so verspürte man in Taal und Batangas nur einen einzigen), so stimmten doch die Meldungen aus allen Gegenden darin überein, daß nirgends ein Schaden an Wohnhäusern und Bauten stattgefunden hätte. Auch ein am 17. um 7 Uhr 38 Minuten früh eintretendes Erdbeben war so schwach, daß es den an derartige Schwankungen der Erdrinde gewöhnten Manilesen keinen allzugroßen Schrecken einjagte. Das Unheil sollte erst den folgenden Tag kommen. Es war ein Sonntag, die Läden waren gesperrt und da die Geschäfte ruhten, so hatte ein großer Theil der europäischen Bevölkerung sich nach den Villen und Sommersitzen in der Umgebung Manilas begeben. Um 12 Uhr 40 Minuten Mittags kam plötzlich das Erdbeben, das mit einer außerordentlichen Heftigkeit 1 Minute und 10 Sekunden anhielt. Dieser Augenblick genügte, um die halbe Stadt, insbesondere die am Flusse liegenden Theile, auf das Entsetzlichste zu verwüsten. Es gab kein Haus, das unbeschädigt geblieben wäre. Die Gassen waren mit Trümmermassen und herabgefallenen Balkonen und Fenstergittern bedeckt. Der Thurm der Kirche des Vorortes Sampaloc sowie das Pfarrhaus stürzten gänzlich ein, dasselbe geschah theilweise mit der großen Tabaksfabrik im Arrocerosviertel. Ein ganzer Trakt des steinernen Gebäudes, in welchem die Bureaus des Marinekommandos etablirt sind, stürtzte ein, ohne daß zum Glücke jemand von den Inwohnern beschädigt wurde. Die Europäer wurden überhaupt mit einem günstigen Geschicke bedacht, denn nur zwei von denselben erlitten Verletzungen, der eine von ihnen war ein Nordamerikaner Namens Parker, der eine Verwundung am Kopfe und einen dreifachen Armbruch davontrug, der andere war ein Don Tomás de Velasco, der nur leicht am Kopfe verwundet wurde. Die farbigen Eingeborenen hatten größere Verluste zu erleiden, ein einziges zusammenbrechendes Haus hatte drei Menschen erschlagen, während es gelang, ein Weib mit seinen Kindern unversehrt unter den Trümmern desselben hervorzuziehen. Fast alle steinernen Gebäude waren unbewohnbar geworden, die großen Kirchen mit ihren Thürmen wiesen bedenkliche Spalten und Risse auf, als ob sie jeden Augenblick zusammenzustürzen drohten. Der Schrecken der Bevölkerung war ungeheuer, denn die Erde zitterte den ganzen Tag, so daß eine Wiederholung der Katastrophe jeden Augenblick zu befürchten war. Eine eigenthümliche Rolle hatte bei diesem Erdbeben das Meer gespielt: es war plötzlich 3½ Fuß gesunken und eben so plötzlich wieder zum alten Niveau zurückgekehrt. Von den in Pasig befindlichen Fahrzeugen aus bemerkte man, daß im Momente des Erdbebens das Wasser Blasen und Schaum auftrieb, auch hatte auf der Insel Romero (Manila extramuros) die Erde sich geöffnet und aus der Spalte trat übelriechendes Wasser heraus; später erfuhr man, daß zur selben Zeit auf der Oberfläche des Sees von Bay, dem der Pasig entströmt, plötzlich ein große Anzahl todter Fische geschwommen wäre, eine Erscheinung, die man bei dem Erdbeben vom Jahre 1824 Gelegenheit gehabt hatte auch auf dem Pasig zu sehen. Der energische Generalkapitän Marquis Estella traf sofort mit einer lobenswerthen Umsicht alle Anstalten, um das allgemeine Elend zu lindern und bei einer Wiederholung der Katastrophe für alles gerüstet zu sein. Vor allem wurdne sämmtliche Aerzte in die einzelnen Stadtbezirke vertheilt und durch Entfaltung der militärischen Macht für die öffentliche Sicherheit Sorge getragen, insbesondere wurden die Sträflinge der Gefangenenhäuser, welche jetzt im Freien kampiren mußten, von einem starken Truppenkorps bewacht; die durch herabstürzende Trümmer verletzten Häftlinge wurden in das Militärhospital gebracht. Da der Thurm der Kathedrale jeden Augenblick einzustürzen drohte, so mußten die Gebäude in der Nachbarschaft jener Kirche auf behördlichen Befehl geräumt werden. Ohnedies begann freiwillig ein allgemeiner Exodus der weißen Familien. Hatte auch die ummauerte Stadt bei den Erdbeben verhältnismäßig wenig Schaden gelitten, so war doch bei einer Wiederholung dieses Naturereignisses der Aufenthalt in derselben gefährlich, da, wie schon erwähnt, sie aus wichtigen Steinbauten besteht oder, richtiger gesagt, bestand. Die Bewohner Manilas begannen also alle ihre Habseligkeiten in Eile zu packen, um sich zu Lande oder zu Wasser nach den vorzugsweise von Indiern bewohnten Stadttheilen zu begeben, deren leichtgebaute Hütten mehr Sicherheit boten. Die Straßen und Thore Manilas waren bald von einer dichten Menge von Karren und Lastträgern durchfluthet, doch hatte der Generalkapitän verboten, daß die Wagen anders als im Schritte fahren sollten, damit nicht durch die Erschütterung, welche schnelles Fahren auf hartem Pflaster hervorbringt, neue Einstürze von baufälligen Häusern stattfänden. Die ganze Nacht vom 18. auf den 19. durchzogen Militärpatrouillen die Straßen der Stadt, um die Ordnung aufrecht zu erhalten, es wurde auch ein Strolch in dem Augenblicke erwischt, als er ein Haus anzünden wollte, und dies gerade in einem Stadttheile, der vorzugsweise aus hölzernen Häusern und Rohrhütten besteht. Der Generalkapitän schlug sein Nachtlager in den lustigen Räumen des Teatro de Bariedades auf, denn sein Palast sowie der des Erzbischofs und das Rathhaus waren unbewohnbar geworden. In der Nähe des Teatro de Bariedades kampirten die Truppen, für die man noch am Nachmittage Baracken erbaut hatte. Das Erdbeben hatte in gleicher Stärke beinahe in ganz Luzon gewüthet, eine große Anzahl von Kirchen, Pfarrhäusern und Brücken (den gewöhnlich einzigen steinernen Gebäuden eines philippinischen Dorfes) waren ihm zum Opfer gefallen. Da die schwachen zitternden Bewegungen der Erdoberfläche bis um 9 Uhr Morgens den 19. anhielten, so wurden auf Befehl der Regierung die Vorlesungen an der Universität und der Unterricht in den übrigen Schulen bis auf Weiteres eingestellt. Obwohl die Jesuiten, welche ein seismographisches Observatorium in Manila besitzen, neue Erdbeben in Aussicht stellten, so glaubte doch ein großer Theil der Bevölkerung, das Aergste sei schon überstanden, weil die Schwankungen des Erdbodens immer schwächer und seltener auftraten; die unglückliche Stadt sollte aber erst das Aergste erleiden! Am 20. um 3 Uhr 40 Minuten Nachmittags begann plötzlich die Erde zu schwanken und eine zum Himmel aufsteigende Staubwolke hüllte die ganze Stadt in einen Schleier ein, während die Luft von dem Prasseln und Poltern der stürzenden Gebäude und Balken sowie von dem furchtbaren Angstgeschrei der sich eiligst rettenden Leute ertönte. Das Erdbeben, dessen oscillatorische Bewegung von Ost nach West gerichtet war, hatte zwar nur 45 Sekunden gewährt, aber eine Intensität aufgewiesen, welche alle Erdbeben Manilas seit 1645 übertraf. Der Thurm der Kathedrale sowie die Thürme mehrerer anderer Kirchen lagen auf der Erde, alle Gebäude, welche das Erdbeben vom 18. nur unbewohnbar gemacht, waren jetzt entweder vollständig baufällig oder zu Ruinen geworden. Inmitten der allgemeinen Verwirrung verlor der Marquis Estella nicht einen Augenblick den Kopf. Auf seine Befehl gingen die Gendarmen von Haus zu Haus, um nachzusehen, ob keine Verluste an Menschenleben - und deren gab es leider nicht wenige - vorgefallen wären. Sie hatten weiter den Auftrag, jedem unverzüglich alle Hülfe zu leisten, die man von ihnen beanspruche, und die wackeren Leute, welche die ganzen Tage und Nächte hindurch fortwährend Dienst gemacht hatten, vollzogen den Auftrag mit einer Opferwilligkeit und Ausdauer, die ihrer musterhaften Disciplin wie ihrer Menschlichkeit alle Ehre machte. Sämmtliche Regierungsbehörden sowie der Stadtrath traten - wie dies auch Sonntag geschehen war - zu einer Sitzung zusammen, in welcher die zu treffenden Maßregeln, insbesondere der Bau von Nothbaracken, besprochen wurden. Inzwischen hatte eine unsagbare Aufregung die Gemüther der Bevölkerung ergriffen. Alle Geschäfte wurden eingestellt und die Europäer vor allen dachten daran, die unheilvolle Stadt zu verlassen oder wenigstens auf freiem Felde zu kampiren. Die meisten der weißen Familien suchten sich an Bord der auf der Rhede und im Flusse ankerenden Dampfer und Segelschiffe zu retten. Die Schiffskapitäne aller Nationen sowie die in Manila selbst ansässigen Rheder wetteiferten mit einander in der Liebenswürdigkeit und gastfreundlichen Gesinnung, mit der sie die geängstigten Flüchtlinge aufnahmen. Im Laufe des Nachmittags erfuhr man, daß der südlich von Manila gelegener Vulkan Taal(1) in Eruption begriffen wäre. Diese Nachricht trug viel zur Beruhigung der Gemüther bei, denn man glaubte, daß diese Eruption so viel wie das Ende der Erdbeben bedeute. Leider sollte sich diese Annahme als eine irrige erweisen. Um 10 Uhr 10 Minuten Abends kam ein neuer Erdstoß, das Erdbeben währte 55 Sekunden und verwandelte die ganze Stadt in ein Trümmerfeld, doch vielen nur wenige Verletzungen vor, indem jener Theil der Bevölkerung, welcher nicht auf den Schiffen Unterkunft gefunden hatte, im Freien oder auf den großen Plätzen lagerte. Schon bei dem ersten Erdbeben dieses verhängnisvollen Tages hatte das aufgeregte Meer eine Barke begraben; bei dem zweiten kam die Barke wieder zu Tage, um sogleich wieder in den Wogen zu verschwinden. Auch am Flusse Pasig machte sich das zweite Erdbeben sehr fühlbar und verursachte panischen Schrecken unter den zahlreichen Familien, welche alle Räume der im Flusse befindlichen Fahrzeuge füllten. Der unter einem donnerähnlichen Gepolter erfolgende Zusammensturz einiger großen Zuckermagazine trug nicht wenig bei, den allgemeinen Schrecken in Todesangst zu verwandeln. Die Militär- und Civilbehörden walteten ihres Amts mit seltener Umsicht und Unerschrockenheit. Während der Gendarmerie und den Linientruppen die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit überlassen wurde, wurde besonders an der Rettung der Tabaksvorräthe(2) der halb eingestürzten, halb mit dem Einsturze drohenden Fabrikräume gearbeitet. Der Generalkapitän und der Erzbischof durchschritten zu Fuß die Straßen der so fruchtbar heimgesuchten Stadt, um überall Trost einzusprechen oder die Ausführung der Rettungsmaßregeln in Person zu überwachen. Einen eigenthümlichen Anblick gewährte in dieser Nacht die ummauerte Stadt, indem dieselbe, von ihren Bewohnern verlassen, in Grabesstille schwarz und dunkel dalag. Nur auf den großen Plätzen und Glacis lagerten unter Zelten und Rohrbaracken einige weiße Familien und die Menge der farbigen Bevölkerung. Lm andern Tage, den 21. um 6 Uhr früh, fand eine vom Erzbischofe celebrirte Feldmesse statt, um den Himmel um Gnade anzustehen, alle Behörden, die gesammte Geistlichkeit , sämmtliche entbehrlichen Truppen mit ihren Musikbanden und zahlreiche Massen der übrigen Bevölkerungsklassen Manilas erschienen zu diesem Bittopfer, das die erzürnte Gottheit auch zu versöhnen schien. Zwar kam am 24. noch ein Erdbeben, aber seine Gewalt war gering; es hätte auch übrigens wenig mehr gefunden, was zu zerstören gewesen wäre. Bereits an dem zuletzt erwähnten Tage wurden die Geschäfte wieder aufgenommen. Bei den Erdbeben des 18. und 20. waren 12 Personen getödtet und 177 verletzt oder verwundet worden, während die ersten Nachrichten von 320 verloren gegangenen Menschenleben gesprochen hatte. Es ist indeß wohl möglich, daß die erstgenannte Zahl hinter der Wirklichkeit zurück bleibt, denn es ist die Frage, ob schon alle Verwundungen registriert sind, auch scheint nach den mir vorliegenden Daten die Zahl der verwundeten Sträflinge und Gefangenhäuser von Binondo und Bilibid in jene Ziffer nicht mit einbegriffen zu sein. Der Schaden, den das Erdbeben anrichtete, ist gewiß auf mehrere Millionen Dollars zu veranschlagen, denn bei der gleichen Katastrophe von 1863 wurden die Verluste auf acht Millionen Dollars geschätzt und das Jahr 1880 war furchtbarer als jenes. Nur vereinzelte Steinbauten hatte das Erdbeben glücklich überdauert, es waren dies unter anderen die Brücken über den Pasig und die wuchtige Masse der Dominikanerkirche, welche nach dem Erdbeben von 1863 erst wieder neu auferbaut worden war. Heftige Regengüsse, welche seit dem 20. vom Himmel niederfielen, zerstörten das meiste Gut und jene Waaren, die nicht durch Trümmer beim Erdbeben selbst vernichtet worden waren; denn die Waaren lagen entweder im Freien oder in Schuppen, deren Dächer Löcher hatten, durch die das Wasser Eingang hielt. Noch am 14. August "wackelte die Erde", wie ein an diesem Tage an mich gerichtetes Schreiben aus Manila meldet, doch war alle Gefahr längst vorüber. Spärlicher als aus Manila stoßen uns Berichte aus den übrigen Theilen Luzons über die Erdbeben vom 18. und 20. auf, obwohl uns unter den wenigen Meldungen einige von großer Wichtigkeit zu sein scheinen; ich will mit dem minder Wichtigen beginnen, wobei ich die gleichlautenden Meldungen von Einstürzen der Kirchen und Thürme in X und Y gänzlich übergehe. Die Erdbeben vom 18. und 20. Juli wurden in ganz Luzon verspürt, am heftigsten in Camarines, jener langgestreckten stark gegliederten Halbinsel, welche das südliche Ende Luzons bildet. Die Halbinsel Camarines ist ein an Vulkanen sehr reiches Land, denn außer den aktiven Vulkanen Máyon oder albay und Bulusan besitzt sie eine stattliche Anzahl von erloschenen Feuerbergen. Bei Weitem der gefährlichste unter diesen Bergungeheuern ist der Máyon, dessen Ausbrüche von Verheerungen begleitet sind, deren Beschreibung jeden Gefühlsmenschen mit Entsetzen erfüllen muß. Der Máyon verhielt sich aber während der ganzen Zeit ruhig, es zeigte sich nicht mehr Rauch, als gewöhnlich seinem Krater zu entsteigen pflegt, dagegen begann der Bulusan, der sonst nicht gefährlich zu sein schien, gerade am 20. Rauch auszuwerfen, nachdem schon Tage lang Erdbeben vorhergegangen waren. Diese hatten schon am 7. Juli begonnen und die Bevölkerung in Schrecken versetzt, denn in keiner Provinz haben diese Naturereignisse so viel Opfer an Gut und Menschenleben gefordert wie hier, besonders wenn die Küste an einigen Stellen sich senkte, wie dies sich 1840 ereignet hatte. Sehr heftig war dort das Erdbeben am 18., es hatte eine Art von rotirender Bewegung, so daß sich viele Personen, um nicht zu fallen, platt auf die Erde warfen. Der Hauptstoß währte 70 bis 80 Sekunden, doch schwankte die Erde in kleinen Zeitintervallen bis 4½ Uhr. So finden wir, daß die Erdbeben von zwei Vukanausbrüchen, denen des Taal und Bulusan, begleitet waren, doch ist uns über die Natur dieser Eruptionen nichts Näheres bekannt. Lava schein nirgends sich gezeigt zu haben, wenigstens sprechen die bisherigen Meldungen nur von einer bedeutenden Menge Rauch und Dampfwolken; der Taal speciell spie vom 17. bis 22. Juli so viel Rauch, daß die ganze Atmosphäre über dem Bombon-See und seinen Gestaden in Dunkeheit gehüllt war. Diese Nachrichten sich aber verhältnismäßig ohne jede Bedeutung gegenüber der Meldung, daß ein neuer submariner Vulkan zwischen der Ostküste Luzons und der kleinen Insel Polillo entstanden wäre. Die Nachricht von diesem Ereignisse traf am 27. Juli in Manila ein. Die Entstehung dieses Vulkans war zugleich die Ursache entsetzlicher Verheerungen, von welchen der Distrikt La Infanta, der der Insel Polillo gegenüber liegt, getroffen wurde. Damit wäre denn die Heftigkeit und die große Ausdehnung des Erdbebens aufgeklärt, und wir müssen mit Geduld einer genauen und authentischen Beschreibung jenes seltenen Ereignisses entgegensehen. Die Entstehung neuer Vulkane ist auf den Philippinen, diesem klassischen Lande des Vulkanismus, nicht auf diesen Fall beschränkt. Im Jahre 1856 verwandelten sich die Didikaklippen (nördlich von Luzon, östlich von den Babujanes) plötzlich in einen aus dem Meere aufsteigenden Vulkan, der 1860 bereits ein Höhe von 700 Fuß erreicht hatte(1). Im Jahre 1641 begannen plötzlich zwei bisher geschlossene Berge, der Mte. Santo Tomas am Golf von Lingayen und ein kleiner Berg im Sulu-Archipel, zu gleicher Zeit mit einem Vulkan auf Mindanao zu speien, doch hat man in neuester Zeit die diesbezüglichen Nachrichten über den erstgenannten Berg als ein Mißverständniß bezeichnet. Interessant wäre es noch zu erfahren, ob in dem Bisayer-Archipel das Erdbeben sich auch fühlbar machte; alle Berichte und Briefe, die mir über diese Angelegenheit zu Gesichte gekommen sind, schweigen gänzlich hierüber.
(1) Dr. C. Semper, Die Philippinen und ihre Bewohner. Würzburg 1869, S. 14 f.
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Document created: May 13, 1995 updated: March 20, 1998 APSIS Editor Johann Stockinger |